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Adriano Celentano: König der italienischen Unterhaltung

Musik, Film, Produktion: Kein italienischer Star ist vielseitiger und erfolgreicher ★ Sein Werk, sein Leben

Adriano Celentano mit seiner Frau Claudia Mori EPA/CLAUDIO ONORATI/dpa

Adriano Celentano mit seiner Königin und Ehefrau Claudia Mori

Adriano Celentano, geboren am 6. Januar 1938 in Mailand, hat die vermutlich beeindruckendste Entertainer-Karriere hingelegt, die je einer in Italien schaffte - als Musiker, Sänger, Comedian, Produzent, Schauspieler, Manager, Provokateur, Polit-Aktivist und Hofnarr - und als (fast) treu sorgender Ehemann und Vater (die Affäre, die er hatte, hätte niemand ausgeschlagen. Niemand. Vermutlich nicht mal eine Frau).

Vom Uhrmacher zum Entertainer

Dass er mal Entertainer werden sollte, war ihm jedenfalls nicht in die Wiege gelegt. Celentano stammt aus einer einfachen Arbeiterfamilie. Und er lernt einen netten, soliden Beruf: Uhrmacher. Später, als er in seiner großen Villa am Comer See wohnt, da ist das Schrauben in teuren Uhren sein Hobby. Er kann sich finanziell alles leisten. In Italien verkaufte er 120 Millionen Platten, im Ausland noch einmal so viele. Hinzu kommen seine Filmgagen, Werbeeinnahmen, Unternehmensgewinne. Sogar seine Affäre (die mit dieser Frau, mit der jeder eine Affäre gehabt hätte, hätte er die Chance gehabt) macht er zu Geld (dazu gleich mehr).

Musikalischer Durchbruch

Sein musikalischer Durchbruch kommt 1957 mit dem Hit "Rip It Up", einer Coverversion des gleichnamigen Songs von Little Richard. Celentano gründet die Band "Rock Boys" und spielt als einer der ersten italienischen Musiker Rock'n'Roll.

1961 tritt er zum ersten Mal beim Sanremo-Festival auf, mit "24.000 baci". Der Song ist erfolgreich. Aber noch erfolgreicher ist, dass er nach dem Auftritt sein eigenes Label gründet und ihn selber vermarktet. Manager kann er also auch, einfach so, weil er's eben kann. Mit dieser gewissen Leichtigkeit, mit der er alles hinbekommt.

Die Grünen hätten ihn geliebt, hätte es die 1966 schon gegeben

1966 versemmelt er seinen nächsten Auftritt in Sanremo mit einem Politsong, den die Grünen klasse gefunden hätten, hätte es die damals schon gegeben - "El Ragazzo della Via Gluck". Vermutlich ist der Skandal, den er damit provoziert, Absicht. In dem Song betrauert er, dass sein früherer Kinderspielplatz bebaut wurde. Zu politisch, befand die Jury. Grüne (die ja, wie gesagt, noch nicht existierten) hatten damals in den Medien noch nichts zu sagen. Wie die Zeiten sich doch ändern.

Mega-Erfolg und Mega-Narrenfreiheit

Es folgen Megahits, bei denen das Attribut Mega ausnahmsweise nicht die übliche Medien-Übertreibung ist. Zu Celentanos größten Hits zählen "Azzurro" (1968), "Una Festa Sui Prati" (1967) und "Soli" (1979).

Völlig schräg (und damit Celentano-typisch) ist sein Song "Prisencolinensinainciusol". Der war unverständlicher Sprechgesang in einer absonderlichen Fantasiesprache. Natürlich trotzdem ein Hit, weil von Celentano und Celentano-typisch witzig und unterhaltsam. 20 Jahre später schafft er es, den auf einfachste Weise zu recyceln: Da wettert er im Fernsehen gegen alle Rapper, weil die ja nur nachmachten, was er mit Prisencolisjdu... Prisosldköi... seinem Sprechsong von 1973 erfunden habe.

Filmkarriere

Neben der Musik macht sich Celentano auch als Schauspieler einen Namen. Er spielt in zahlreichen Filmen mit und führt bei einigen Regie. "Yuppi Du", "Bingo Bongo". Politisch wird er gern auch im Film. In "Die Sünde" spielt er einen Kommunisten, der von einer Nonne gepflegt wird, die sich in ihn verliebt. Das war 1972 und zu der Zeit erheblich skandalös. Die Nonne spielt Sophia Loren (nein, die Affäre hatte er mit einer anderen). In "Onkel Addi" spielt er ein Zwillingspaar. Einer der beiden ist Nazi, der andere Anti-Nazi-Widerstandskämpfer. Anfang der 1980er bringt er "Der gezähmte Widerspenstige" und "Gib dem Affen Zucker" heraus. Seine Filmpartnerin in diesen beiden Filmen ist Ornella Muti. Und Bingo: Sie ist die Affäre.

Für einen Superstar sehr treu

Seit 1964 ist Celentano mit der Schauspielerin und Sängerin Claudia Mori verheiratet. Die beiden haben drei Bambini. Das Paar arbeitete auch beruflich zusammen und hatte gemeinsame musikalische Erfolge, wie den Hit "Non Succederà Più" (1982).

Seiner Frau zuliebe kauft er ein Paparazzi-Foto vom Markt weg, auf dem er innig mit Ornella Muti zu sehen ist. Das Bild darf seitdem nicht mehr veröffentlicht werden. Das kostet ihn umgerechnet rund 100.000 Euro. Unterm Strich dürfte ihm die Affäre aber einiges mehr eingebracht haben. Er produziert den Song "Non succederà più", in dem seine Frau ihn zur Treue ermahnt. Natürlich ist auch der ein Hit.

Live im Fernsehen: 16 Minuten Schweigen - und dafür Top-Einschaltquote

Als Celentano 1988 seinen 50. Geburtstag feiert, bekommt er eine Sendung im RAI-Fernsehen. Höhepunkt ist ein, nun ja, Monolog, in dem er 16 Minuten schweigt. Ansonsten schimpft er gegen Atomkraftwerke und will die Jagd verbieten. Er ernährt sich vegetarisch und ist für die Umwelt. Die Grünen lieben ihn, jetzt, wo es sie endlich gibt. Vorher hatte er allerdings noch eine Phase, in der er Schwule öffentlich verachtete, als das auch der Papst noch tat (Celentano geht jeden Sonntag in die Kirche). 2005 bekommt er eine Show mit dem Titel "Rock Politik". Als Gäste holt er sich einen prominenten Journalisten und eine Satirikerin, die beide gerade von Berlusconi Sendeverbot bekommen hatten. Und zwar genau darum: Weil Berlusconi es verboten hat. Nur Celentano darf sowas.

Was perfekt zu Italien und zu Celentano passt. Die Mehrheit liebt ihn, obwohl die Mehrheit Berlusconi wählte und für Grüne nur gedämpfte Zuneigung empfindet. Aber Italien ist eben kein Gleichschritt-Land, sondern auf fröhliche Art chaotisch. Dafür lieben wir es mitsamt seinem Italo-Pop und seinem Celentano.


DER Celentano-Song schlechthin: Azzurro

Celentano mimt einen Boxer - mit typischem Celentano-Witz

Der Song, mit dem Adriano Celentano den Rap erfand, 20 Jahre, etwa fünf bis zehn Jahre, bevor der Rap erfunden wurde, der den Titel "Prisencolinensinainciusol" trägt